Auf den Punkt gebracht von Ann-Katrin Petersen

Wie widerstandsfähig sind die Unternehmensgewinne?

BlackRock Marktausblick 25. Oktober 2022

Die Rezession kommt, die Inflation bleibt

Es sind zwei unangenehme Erwartungen, die Anleger im Jahresendspurt 2022 begleiten. Erstens: Die Rezession kommt. Zweitens: Die Inflation bleibt. Die Aussichten für die Weltkonjunktur haben sich unter dem Eindruck des massiven Anstiegs der Verbraucherpreise, der Löcher in die Kassen der privaten Haushalte gerissen hat, hartnäckiger Lieferunterbrechungen und schwelender Unsicherheit weiter eingetrübt. In seinem jüngsten Ausblick zeichnete der Internationale Währungsfonds (IWF) ein entsprechend düsteres Bild. Ein Drittel der Weltwirtschaft werde 2023 in eine Rezession rutschen, so die Prognose. Der Inflationsdruck gestalte sich beharrlicher als gedacht, Ostasien verliere an Zugkraft.

Marktausblick mit Ann-Katrin Petersen am 25. Oktober 2022

Gerade in Europa steht ein wirtschaftlich herausforderndes Winterhalbjahr bevor. Zwar haben im Nervenkrieg um eine ausreichende Gasversorgung zwei Umstände zuletzt für gewisse Hoffnungsschimmer gesorgt: das milde, sonnenreiche Herbstwetter in Deutschland und seinen europäischen Nachbarländern sowie die überraschend zügig gefüllten Speicher. Darüber hinaus haben die europäischen Finanzminister Pakete geschnürt, um die Konjunkturrisiken abzufedern. Zur Erinnerung: Im Kampf gegen Inflationsrisiken steht die Europäische Zentralbank (EZB) für letzteres nicht mehr parat. Dennoch überwiegen in der kürzeren Frist die Belastungsfaktoren. So ist es beispielsweise noch zu früh, bei der Gasversorgung der Bundesrepublik Entwarnung zu geben. Nach Einschätzung von Experten müssten dafür der Verbrauch weiter gesenkt (etwa um ein Fünftel), die Nettoimporte hoch gehalten und die geplanten LNG-Terminals schnellstmöglich in Betrieb genommen werden. Die Frage lautet weniger, ob es angesichts des massiven Energieschocks im Winterhalbjahr zu einem wirtschaftlichen Abschwung kommt –  wichtige Konjunkturindikatoren signalisieren, dass dies höchstwahrscheinlich bereits der Fall ist – sondern wie ausgeprägt dieser Konjunktureinbruch ausfallen wird.

In Ostasien haben sich die Konjunkturaussichten nach einer monatelangen Eintrübung zuletzt wieder etwas aufgehellt, bleiben aber insgesamt gedämpft. Vorerst bleibt die Null-Covid-Politik in Kraft, obwohl wir erwarten, dass sie möglicherweise bis Ende des Jahres gelockert werden könnte. Darüber hinaus lasten Turbulenzen am Immobilienmarkt, die sich verschlechternde Arbeitsmarktlage und die Verschuldungssituation der Unternehmen auf den Wirtschaftsperspektiven. In den USA wiederum könnte die Wirtschaft infolge des scharfen geldpolitischen Bremsmanövers der US-Notenbank Fed in der ersten Jahreshälfte 2023 schrumpfen.

 

EZB bekräftigt Bereitschaft zu weiteren Zinsschritten, fährt aber zunehmend auf Sicht

Ohne Frage bleiben die scharfe Straffung der Zinspolitik und das restriktiver werdende Liquiditätsumfeld für die Märkte Belastungsfaktoren. Allerdings ist im Hinblick auf die nächsten Zinsschritte der Notenbanken wohl mit keinen drastischen Abweichungen mehr nach oben gegenüber den Markterwartungen zu rechnen.

Eine Reihe von EZB-Ratsmitgliedern hat die Märkte bereits explizit oder implizit auf einen weiteren kräftigen Zinsschritt am kommenden Donnerstag vorbereitet. Nachdem der Rat im internationalen Vergleich bis zur Sitzung im Juli einen durchaus zögerlichen Normalisierungskurs verfolgt hatte, gibt er sich seither umso entschlossener im Kampf gegen Inflationsrisiken. So rang sich die EZB auf ihrer September-Sitzung zum größten Zinsschritt ihrer Geschichte in Höhe von 75 Basispunkten durch und ließ die Tür für weitere markante Zinsschritte weit offen. Der Handlungsdruck aus Sorge vor sich verselbständigenden Inflationserwartungen bleibt aus Sicht der EZB virulent. Gut möglich, dass der Rat bis Jahresende so viele Straffungsschritte wie möglich unterzubekommen versucht („Frontloading“), angesichts einer voranpreschenden Fed, eines fortgesetzt schwachen Euro-Wechselkurses, welcher importierte Waren und Dienstleistungen aus dem Ausland zusätzlich verteuert, und erhöhter Rezessionsgefahren. Aug in Aug mit einer schrumpfenden Wirtschaft dürfte die EZB jedoch zunehmend „auf Sicht fahren“. Negatives Überraschungspotenzial für die Börsen würde vor diesem Hintergrund vielmehr ein frühzeitiges und entschlossenes Abschmelzen der Bilanzsumme des Eurosystems (QT – „quantitative tightening“) bergen.

Gewinnberichtssaison entscheidend für die weitere Entwicklung des Aktienmarktes

So richtet sich das Augenmerk verstärkt auf das fundamentale Rückgrat der Börsen: die Umsatz- und Gewinnzahlen der Unternehmen sowie die Ausblicke der Firmenchefs. Können die Aktienmärkte angesichts der bereits negativen Stimmung fundamental auf widerstandsfähige Gewinne aufbauen? Oder bahnen sich enttäuschende Unternehmenszahlen an, verbunden mit weiteren möglichen Kursabschlägen?

Sollte der Markt tatsächlich eine deutlich schwächere Gewinnentwicklung preisen als es die Unternehmensanalysten vorgeben, wären die zuletzt günstigeren, zukunftsorientierten Bewertungen der Aktienmärkte verwundbar. Zur Einordnung: Das erwartete Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) für die kommenden zwölf Monate für den S&P 500 beträgt beispielsweise aktuell 15,3, sowohl unter dem 5-Jahres- (18,5) als auch unter dem 10-Jahres-Durchschnitt (17,1), wenngleich derartige Kennzahlenvergleiche in rezessionären Phasen mit Vorsicht zu genießen sind.

Wir erwarten bei den Unternehmensgewinnen weiteres Abwärtsrevisionspotenzial. Das sich abzeichnende Schrumpfen der Wirtschaftsleistung in Europa und den USA dämpft für sich genommen das Umsatzwachstum, der anhaltende Kostendruck setzt die Gewinnmargen zusätzlich unter Druck. Es scheint allerdings noch mit einem Fragezeichen behaftet, inwiefern bereits der Berichtszyklus für das dritte Quartal 2022 die antizipierte Abschwächung des Gewinnwachstums widerspiegeln wird.

Während sich die Anzeichen für eine gesamtwirtschaftliche Rezession, vor allem in Europa, über mehrere Quartale hinweg mehren, werden die Diskussionen über die Wahrscheinlichkeit eines ausgemachten Gewinnrückgangs der Unternehmen bis zuletzt durchaus intensiv geführt. Denn trotz des erwarteten Rückgangs der realen (preisbereinigten) Wirtschaftsleistung dürfte das Nominalwachstum in Europa und den USA aufgrund der hohen Inflation letztlich positiv ausfallen. Das Umsatzwachstum der Firmen könnte in den kommenden Quartalen somit ebenfalls über der Nulllinie verharren. Da auch die Betrachtung der Gewinnentwicklung der Unternehmen eine nominale Betrachtungsweise ist, könnte es theoretisch trotz steigender Zinsen, Energiekosten und Lohnstückkosten zu durchaus widerstandsfähigen Gewinnentwicklungen über den Winter hinwegkommen. Zumindest vorübergehend, zumindest in einigen Branchen.

Ein Blick auf die laufende Berichtssaison zum dritten Quartal in den USA zeigt, dass bisher vor allem konsumnahe Unternehmen in der Lage gewesen zu sein scheinen, die höheren Kosten auf die Verbraucher zu überwälzen. Andere Berichte signalisieren dagegen bereits, dass sich die Firmen einer Grenze nähern könnten, ab der sie die Preise nur noch schwerlich weiter anheben, mit anderen Worten höhere Kosten weiterreichen können. Zudem hat sich die Stärke des US-Dollar negativ auf die Prognosen der Unternehmen ausgewirkt und die Gewinnschätzungen nach unten gedrückt.

Insgesamt ist der Start der Berichtssaison in den USA – ausgehend von einer verhaltenen Vorausschau – besser als erwartet ausgefallen. Nicht ausgeschlossen, dass der wahre Lackmustest erst Anfang 2023 mit der Gewinnberichtssaison für das vierte Quartal 2022 erfolgt, wenn sich das konjunkturelle Bild etwas klarer abzeichnet und die Unternehmen eine „Guidance“ für das neue Jahr wagen.

Was bedeutet all dies für Anlageentscheidungen?

Die kurzfristigen Aussichten für die Weltwirtschaft haben sich eingetrübt. Das Thema Inflation wird nicht gänzlich verschwinden, selbst wenn die Gesamtinflationsraten auf absehbare Zeit ihren Gipfel erreichen. Die Zentralbanken haben Wirtschaft und Märkte vor diesem Hintergrund auf eine fortgesetzte Straffung der Geldpolitik eingeschworen.

Für die kommenden Monate stellt das restriktiver werdende Liquiditätsumfeld unverändert einen Belastungsfaktor für die Börsen dar. Allerdings ist im Hinblick auf die nächsten Zinsschritte der Notenbanken wohl mit keinen drastischen Abweichungen mehr gegenüber den bereits „hawkishen“ Markterwartungen zu rechnen. Trotz der kernigen Verlautbarungen im Hinblick auf ein zügiges Eindämmen der Inflation in Richtung der Zielmarken von 2% werden sich die Währungshüter wohl schließlich mit etwas mehr davon abfinden.

Bei den Unternehmensgewinnen erwarten wir dagegen weiteres Abwärtsrevisionspotenzial. Dies wiederum spricht unseres Erachtens für eine fortgesetzt hohe Volatilität und Rückschlagpotenzial an den Aktienmärkten. Wir schätzen Aktien der Industrieländer taktisch, d.h. mit Blick auf die kommenden sechs bis zwölf Monate, nach wie vor weniger konstruktiv ein, und bevorzugen stattdessen fortgesetzt Unternehmensanleihen hoher Bonität (Investment Grade) angesichts relativ attraktiverer Bewertungen bei wetterfesteren Bilanzen.

Weiterhin gilt aus unserer Sicht auch, dass das klassische „Rezessions-Handbuch“ bei der Anlageallokation im aktuellen Umfeld nur bedingt Anwendung finden sollte. Dies bedeutet unter anderem: Sich in Staatsanleihen „zu verstecken“, bleibt wenig ratsam. Vielmehr dürften Staatsanleihen in einem Umfeld erhöhter Inflationsrisiken und Staatsschuldenberge aus ganzheitlicher Portfolioperspektive fortgesetzt Diversifikationseigenschaften einbüßen. Attraktivere Chancen ergeben sich bei kürzeren Laufzeiten und inflationsgeschützten Staatsanleihen.

 

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